Zu allen Zeiten und an allen Enden der Erde haben sich Menschen aufgemacht, um zu pilgern. Was ist bis in unsere modernen Zeiten, wo jeder Winkel der Welt auch bequemer zu erreichen ist, so faszinierend daran?
Pilgern ist ein Übergangsritual. Die meisten Menschen, die pilgern, stehen gerade vor der Herausforderung, mit einer großen Veränderung in ihrem Leben klar zu kommen. Sie machen sich auf den unbekannten Weg, um überhaupt wieder einen Weg zu sehen, für sich ein neues Ziel zu finden. Für mich war es bei meiner Pilgerwanderung nach einem großen Verlust auch die Hoffnung, Hilfe zu finden bei etwas, das größer ist als ich. Aber man muss nicht religiös sein, um beim Pilgern zu erfahren, dass es weitergeht. Schritt für Schritt – das Erfahren ist ganz körperlich. Das Gehen – oder eben besser: Das langsame und stetige Pilgern hilft Körper, Geist und Seele dabei, sich zu harmonisieren.
Pilgern kommt von peregrinus – und das heißt: der Fremde
Aber ich will auch ganz ehrlich sein: Das Wort Pilger stammt nicht umsonst ursprünglich vom lateinischen „peregrinus“, was „der Fremde“ bedeutet. Wer pilgert, entscheidet sich dafür, sich vielem Unbekannten auszusetzen: dem Wetter, der körperlichen Herausforderung, der Einfachheit im Außen und den eigenen Themen, Fragen und Gefühlen im Innen. Wer pilgert zieht sich die Identität der oder des Fremden an, nur mit dem auf dem Rücken, was er oder sie braucht, abhängig und unabhängig gleichzeitig. Wer sich in dieser Haltung einlässt auf diesen Weg, wer seiner Sehnsucht nach Erkenntnis, Veränderung und spiritueller Erfahrung folgt, der erreicht als ein anderer oder eine andere das Pilgerziel und kehrt körperlich und seelisch verändert zurück. Die Erfahrung von Flexibilität und Zentrierung, Furchtlosigkeit und Angewiesenheit geht nie mehr verloren.